2015 – 69° N and beyond – knallbra!

Die Alpen sind ja schon ganz nett, aber da ist noch Luft nach oben! Alles fängt an im Bray Head am Powder Party Stammtisch, als Jochen und Jonas plötzlich Topo Karten der Lyngen Alpen im A3 Format auf den Tisch knallen. Bei einigen Anwesenden ist sofort ein Funkeln in den Augen zu sehen und die Geschichte kommt ins Rollen. Auf dem Plan stehen: Abfahrten vom Gipfel zum Fjord, feinster Powder im April, Nordlichter sowie die große Weite der skandinavischen Berglandschaft. Die Expeditionsplanung nimmt mehrere Monate in Anspruch und beinhaltet Essensrationierung bis auf das einzelne Nüsschen.
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Karlsruhe macht uns den Abschied nicht schwer:
Sturmtief am Frankfurter Flughafen, Zugverspätungen, alle Lufthansa Flüge gestrichen! Wir bedienen uns am bereitgestellten Snackstand (Lufthansa and Powder Party only) , lächeln uns an der Schlange vorm Umbuchungsschalter quer durch Terminal 1 vorbei und stellen uns mit Skischuhen an den Füßen an den Check-In Schalter, um unsere unmenschlich schweren Rucksäcke aufzugeben. Der nette Mitarbeiter kommt schon mit einem großen Gepäckwagen angerollt. Nach der Sicherheitskontrolle ist Lotterkönig Jochen bereits 2000 der einzeln abgezählten Kilokalorien in Form einer abgenommenen Dose Erdnussbutter im Rückstand. Nach dem letzten bezahlbaren Bier im Duty Free Shop am Flughafen Oslo ist 2 Wochen Abstinenz angesagt. Es ist schon spät und das erste Biwaklager mit Daunenschlafsack und Synmat wird auf der zweiten Hochebene des Flughafengebäudes aufgeschlagen. Der besorgte Hüttenwart des Flughafens weist uns freundlich darauf hin, dass er die ganze Nacht da sein wird um über uns zu wachen. Wir ernten neidische Blicke von den schlechter ausgerüsteten Seilschaften, die sich unbequem auf Stühlen zusammengekauert die Nacht um die Ohren schlagen.

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Wie schon die letzten Blicke aus dem Flugzeugfenster erahnen lassen, begrüßt uns eine umwerfende schneebedeckte Bergkulisse bei strahlendem Sonnenschein am Tromsøer Flughafen, nur durchbrochen von im Sonnenlicht schimmernden tiefblauen Fjorden. Wenige Stunden später stehen wir bereits auf Skiern und erkämpfen uns mit Essen für 7 Tage im Gepäck die ersten Höhenmeter zum Basecamp der Lyngsdalshytta. Von der Hütte aus genießen wir den fantastischen Blick auf stahlblaues Gletschereis und den höchsten Berg der Lyngen Alpen.

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Die erste Skitour führt uns auf den Pollfjellet (1213m), von wo aus wir die Aussicht auf die umliegende Fjorde bei Nüsschen und Schoki genießen. Bei der Abfahrt ereignet sich eine schnelle Folge von unglücklichen Umständen, die als die Gaisbergsche Zerstörungswelle in die Geschichtsbücher eingehen wird. Innerhalb kürzester Zeit schafft er es seine Bindung, einen Skischuh sowie einen Stock zu zerstören. Am Abend ist also MacGyver Zeit angesagt. Mit der unverhofft gut ausgestatteten Werkstatt der Hütte, die eigentlich für einen Saunabau gedacht ist, ist es uns möglich unter Zuhilfenahme von lediglich einem Generator, einer Flex, einer Bohrmaschine, drei HSS Bohrer, Schnittschutzhose, Schutzbrille, Draht, Nägeln und Tape einen Ghettofix zu basteln, der am nächsten Tag die Bindung für ganze 3m zusammenhält. Ein weiterer Tag Ingenieursarbeit endet in einer Reparatur, die für den Rest der Zeit aushält.

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Die folgenden Tage werden von einem mächtigen Sturmtief geprägt, welches uns auch beim zweiten Tag daran hindert den „1324“ zu besteigen. Ein paar nette kleine Powderhänge und ein Rettungsdeckenkite, der uns durch die Ebene fegen lässt versüßen uns die nächsten Tage. Die gefallenen Neuschneemengen bescheren uns sanfte Schwünge in tiefem Powder bei der traumhaften Abfahrt vom Daltinden (1533m). Außer einigen Einheimischen, die mit Fatbikes und Crosscountry Skiern die Hütte zu Fitnesszwecken besuchen, bleiben wir die Einzigen im gesamten Tal.

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Weiter geht es für uns auf die Skihytta mit einem Zwischenstopp an der Kalorientankstelle „Rema 1000“, welche uns zum ersten Mal in sieben Tagen ein nicht breiförmiges Abendessen beschert. Der Preis für die Hütte hat sich in der Nacht unserer Ankunft unvorhergesehen verdreifacht, was unsere Sympathie gegenüber der Vorstandschefin des Hüttenbesitzervereins stark geschmälert hat.

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Ein schwerer Sturm am nächsten Tag verhindert unser Gipfelglück und wir suchen Schutz in einer höher gelegenen Hütte. Eine Gruppe von ca. 30 Klischeefranzosen findet kurze Zeit später auch den Weg zu der Minihütte und breitet ihr Vesper aus Gänseleber, Käse und Rotwein vor unseren neidischen Augen aus. Bei uns gibt es Knäckebrot, Salami und Erdnussbutter. Uns bleibt nichts anderes als Abzusteigen und auf die Erfüllung der kleinen Sonne im Wetterbericht für den frühen nächsten Morgen zu hoffen. Dank eines Aufbruchs in der Morgendämmerung legen wir die ersten Spuren in den tiefen Neuschnee zu 3 Gipfeln und fahren bei Sonnenschein im staubenden Powder die unberührten Hänge wieder ab. Epic Day!


Zur Abwechslung folgt ein üppiges Frühstück am Strand, wo Footage-Fabi nicht mehr aus dem Grinsen kommt. Dann geht es durch ein abenteuerlich zugefrorenes Flusstal zur Goalborrihytta. Beim Erklimmen der letzten beiden Gipfel erleben wir die komplette Vielfalt an Schneesorten von Harsch über Nasschnee, metertiefem Pulver bis zu klebendem Sulz. Erstmalig in den vergangenen zwei Wochen wird uns ein sternenklarer Himmel gegönnt der es uns ermöglicht den letzten Haken auf unserer Checkliste zu setzen: Einmal die Nordlichter sehen. Direkt aus der kuschligen Daune im Biwaksack eröffnet sich uns ein Himmelsspektakel, welches seinesgleichen sucht.

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Nun sitzen wir am Flughafen und blicken zurück auf 14 Tage auf Skiern und unendlich viele tolle Eindrücke. Det var knallbra! Norge vi ses!

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